#175 | Zukunft gestalten statt Angst vor KI: DAS macht Kreative unersetzbar *mit Tim Weiffenbach

Shownotes

Generative KI sorgt in der Kreativbranche für Unsicherheit, Angst – und jede Menge Missverständnisse. Doch statt im Krisenmodus zu verharren, können Illustratorinnen und Designerinnen diese Entwicklungen nutzen, um ihre eigene Rolle zu stärken.

In dieser Folge spreche ich mit Prof. Tim Weiffenbach darüber,

  • warum KI kein Ersatz für menschliche Kreativität ist,
  • welche kreativen Fähigkeiten Auftraggeber*innen wirklich brauchen,
  • wie du dich klarer positionierst und dadurch zukunftssicherer wirst,
  • und welche Mythen über Talent und Musenkuss wir endlich loslassen sollten.

Du erfährst auch, warum deine Haltung, deine Denkweise und deine Intuition heute wertvoller sind als jedes KI-Tool. Diese Episode macht Mut, optimistisch und selbstwirksam in die Zukunft zu schauen und die eigene Position im Markt selbstbewusst zu gestalten.

👉 Wenn dir diese Folge gefallen hat, schick sie einem kreativen Menschen, der auch etwas Optimismus gebrauchen kann.

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Alle Infos zur Folge inklusive Links und einem kompletten Transkript findest du in den Shownotes.


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Disclaimer: Der Podcast will und kann eine rechtssichere, psychotherapeutische oder medizinische Beratung nicht ersetzen. Die hier geteilten Inhalte basieren auf meinen persönlichen Erfahrungen und sind konkrete Einzelfall-Beschreibungen. Deshalb hafte ich nicht für die hier geäußerten Inhalte. Die zur Verfügung gestellten Informationen begründen auch kein Beratungsverhältnis. Bitte triff deine Entscheidungen für dich selbst und hole dir im Zweifelsfall rechtliche oder andersweitige Unterstützung. Die gesammelten Informationen spiegeln den Stand des Veröffentlichungsdatums wider.


Im Portfolio-Podcast erfährst du, wie du mit deiner kreativen Arbeit mehr Aufträge akquirierst – aber eben auch wie du dafür sorgst, dass dein Herz weiterhin für deine kreative Arbeit brennt – auch mit dem ganzen Brimbamborium, den der Berufsalltag von selbstständigen Designer:innen und Illustrator:innen so mit sich bringt.

Franziska Walther ist selbst Designerin, Illustratorin und Autorin – und Expertin für Positionierung und Akquise in der Kreativwirtschaft. Sie unterstützt seit über 10 Jahren Menschen dabei, sich in der Kreativwirtschaft nachhaltig zu positionieren und wirksame Akquise zu machen.

Transkript anzeigen

00:00:00: Dr. Franziska Walther: Die gute Nachricht zuerst: Kreative werden durch generative KI NICHT ersetzt. Im Gegenteil, gerade jetzt können Illustrator*innen und Designer*innen ihre Rolle stärken und klarer formulieren. Genau darüber spreche ich heute mit Tim Weiffenbach:. Wir räumen mit Missverständnissen rund um generative KI auf und zeigen dir, warum deine Denkweise, deine Haltung und deine Fähigkeiten, Probleme zu lösen, wichtiger sind als je zuvor.

00:00:32: Dr. Franziska Walther: Ein Gespräch, das Lust macht, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Und ganz ehrlich: So eine Portion Optimismus wird uns allen guttun. Für dieses Gespräch habe ich wie gesagt, Tim Weiffenbach in den Podcast eingeladen. Tim ist seit über 30 Jahren selbstständig, KommunikationsDesigner*innen, spezialisiert auf Illustrationen und Graphic Recording und hat für seine Arbeiten viele internationale Auszeichnungen erhalten. Zehn Jahre lang, von 2004 bis 2014, war er Vorstandsvorsitzender der Illustratoren Organisation und seit 2023 ist Tim auch Professor für Animation und Illustration an der Hochschule Macromedia in Frankfurt.

00:01:16: Dr. Franziska Walther: Und privat? Hier hört er gerne abseitige Musik, sammelt Comics, Designer*innen-Toys, Hawaii-Hemden und unnützes Wissen. So sagt das zumindest seine Familie. Aber, und das kann ich bezeugen: Tim sammelt auch viel nützliches Wissen, weshalb er regelmäßig auch auf Bühnen, mit Vorträgen und in Podiumsdiskussionen am Diskurs teilnimmt und Haltung zeigt. Und deshalb ist Tim heute auch hier. Und in diesem Sinne: Herzlich willkommen im Portfolio-Podcast.

00:01:49: Dr. Franziska Walther: Hier erfährst du, wie du mit deiner kreativen Arbeit gut zu dir passende Aufträge akquirierst und wie du gleichzeitig dafür sorgst, dass dein Herz weiterhin für deine kreative Arbeit brennt. Auch mit dem ganzen Brimbamborium, den der Berufsalltag einer kreativen Selbstständigkeit so mit sich bringt. Ich bin Franziska Walther und jetzt geht’s los. [Interview startet] Tim, im Moment verändert sich gerade gefühlt alles.

00:02:18: Dr. Franziska Walther: Vor allen Dingen auch in der Kreativbranche, wenn man Illustrator*in, Designer*innen*in, Gestalter*in ist. Wie sieht die Zukunft für Illustration in Zeiten von KI aus? Was meinst du?

00:02:29: Prof. Tim Weiffenbach: Die Zukunft für Illustration oder überhaupt für Gestaltung in Zeiten von KI ist natürlich eine gute Frage, weil die generative KI anscheinend wie ein Damoklesschwert über uns schwebt. Ich betrachte es tatsächlich als eine Bedrohung, aber auch als eine ein Antrieb, um neue Möglichkeiten zu entwickeln für Gestalter. Wenn ich darf, würde ich da eine Klärung zum Thema generative KI voranstellen wollen, weil mir das so häufig begegnet in irgendwelchen Diskussionen, wo die generative KI als ein Tool, als ein Werkzeug beschrieben wird.

00:03:07: Prof. Tim Weiffenbach: Das sehe ich persönlich ganz anders. Wenn man nämlich mal das Wesen generative KI betrachtet, dann ist das vielmehr ein Service und kein Werkzeug. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu machen, weil es eine Beziehung zwischen Urheber, Auftraggeber bzw. Auftrag, Umsetzung und Lösung verständlicher macht. Beim Werkzeug, das wissen wir alle, wenn es ein Hammer ist oder Nagel, müssen wir aktiv eingreifen und müssen auch ganz klar und physisch bestimmen, was wir denn eigentlich tun wollen. Und wir sind uns ziemlich sicher, was das Ergebnis sein kann, nämlich ein Nagel in der Wand.

00:03:49: Prof. Tim Weiffenbach: Das Ergebnis bei dem was bei generativer KI passiert, ist eigentlich eine Blackbox. Und mein Zutun als der Prompter ist irgendwie einer Art von Handlungsanweisung. Und da muss man einfach sagen: eine Idee ist halt auch noch lange kein Werkstück. Die eigentliche Leistung findet irgendwo in einer Blackbox statt. Und das ist ein Service und das entfernt mich natürlich als Urheber ganz weit von der Schaffung von etwas Kreativem.

00:04:25: Prof. Tim Weiffenbach: Da gibt es immer gerne diesen Vergleich mit der Fotografie. In der Fotografie ist der Fotoapparat viel mehr Werkzeug als ein Service, denn ich muss genau wissen, wie der funktioniert. Ich muss ihn bedienen. Ich habe eine sehr hohe Einflussnahme auf das, was da passiert. Und selbst im Labor, sofern ich da noch wirklich Abzüge mache will ... das kennen vielleicht einige noch ...

00:04:48: Prof. Tim Weiffenbach: Da habe ich sehr hohe Einflussmöglichkeiten. Genauso wie ich das heute mit Photoshop machen kann. Aber ich bin einfach sehr direkt daran beteiligt. Das ist bei der KI nicht der Fall. Also kurz gesagt, ich halte das nicht für ein Werkzeug, sondern für einen Service.

00:05:02: Dr. Franziska Walther: Das heißt, um im Bild zu bleiben: KI ist der Foto-Automat, in den ich mich reinsetzen und auf den Knopf drücke, aber eben kein Fotoapparat, mit dem ich ein Foto mache.

00:05:13: Prof. Tim Weiffenbach: Da sind wir wahrscheinlich schon viel eher dran. Aber selbst da würde ich sagen: ich bestimme ja immer noch quasi mit meinem Körpers in der Foto-Box, was ich denn da genau nachher haben will. Das wird dann vielleicht ein bisschen überraschend, welche Gesichter man gemacht hat. Ich glaube, die Blackbox »Generative KI« ist noch viel größer. Das ist einfach ein grundsätzlich Missverständnis, welche Einflussnahme man da tatsächlich hat und was dort passiert. Das Entscheidende ist: Das ist ein Service.

00:05:45: Prof. Tim Weiffenbach: Das ist vom Wesen her kein Werkzeug. Und dieses Werkzeug ist meiner Meinung nach ein durchaus gesetztes Narrativ, um ein bisschen zu verschleiern, was hier tatsächlich passiert.

00:05:59: Dr. Franziska Walther: Ja, was bedeutet denn das für uns als Gestalter*innen, wenn wir jetzt auf einmal damit konfrontiert werden, dass unsere Kund*innen behaupten, es gibt so ein neues Werkzeug, mit dem sie Dinge machen können, die normalerweise Gestalter*innen für sie übernommen haben?

00:06:15: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, im Grunde würde das wahrscheinlich bedeuten: Wir müssen erst mal aufklären! Wenn man dem Gedanken folgen kann, dass es eben kein Werkzeug ist. Genauso wie wir als Gestalter auch kein Werkzeug sind. Und vielleicht kommen wir da auch an einem ganz neuen Punkt des Selbstverständnisses an, dass wir den Kund*innen klar machen müssen: Wir sind nicht nur der verlängerte Arm, der irgendetwas schön macht, sondern unsere Kompetenzen liegen ganz anders und werden viel zu selten in ihrer Gesamtheit abgefordert.

00:06:46: Prof. Tim Weiffenbach: Das ist tatsächlich Ressourcenverschwendung. Und ich finde das ganz erstaunlich, dass man das nicht auf Kund*innenseite auch abfordert und sagt: Moment mal, Sie haben ja eine Ausbildung gemacht. Also Sie sind ja nun mehr als nur mein Werkzeug, um meine Wünsche umzusetzen oder meine Probleme zu lösen. Das merkt man ja schon allein daran, wie schwer sich Kund*innen damit tun, Briefings zu schreiben, weil sie selbst erst mal feststellen müssen: Was ist denn überhaupt mein Problem und wo will ich denn hin?

00:07:20: Prof. Tim Weiffenbach: Und da kommen wir natürlich als Kreative an eine ganz andere Stelle. Weil das lernen wir ja tatsächlich. Also wenn ich jetzt mal so ein bisschen arrogant sagen darf: Numerus Clausus reicht nicht, um Design zu studieren. Wir müssen tatsächlich durch eine Mappenprüfung durch. Also die Schwelle ist ziemlich hoch, die wir nehmen müssen als Gestalter, um überhaupt Gestaltung lernen zu dürfen.

00:07:41: Prof. Tim Weiffenbach: Und Gestaltung ist einfach mehr als nur schöne Bilder herzustellen. Es ist das Lernen von kritischem Denken in allerlei Sinn und inhaltlichen Zusammenhängen. Unsere Kund*innen kommen ja meistens aus allen möglichen Branchen, je nachdem, wo wir so unterwegs sind. Wir müssen methodisches Vorgehen lernen und wir müssen natürlich auch einen ästhetischen Sinn ausbilden. Aber es geht halt dabei nicht um Geschmack.

00:08:07: Dr. Franziska Walther: Aber formal heißt das ja, dass wir gerade so ein Doppel-Problem haben, weil das Problem, das wir als Gestalter*innen von Kund*innen als Werkzeug verstanden werden, das haben wir ja schon seit vielen Jahren. Das sorgt ja auch dafür, dass so eine Wertschätzung für die eigentlichen Ergebnisse von Design-Prozessen ganz oft bei unserem Gegenüber nicht da ist. Und jetzt gibt es ja noch diese generativen KI-Werkzeuge,

00:08:30: Dr. Franziska Walther: die noch mal mehr behaupten, dass sie ein Werkzeug für Kund*innen sind, mit dem Kund*innen es einfach selbst machen können. Das heißt, das Problem ist ja für uns auf eine gewisse Art und Weise das Gleiche, nur ist es doch mal deutlich größer geworden. Wie gehen wir damit um?

00:08:46: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, diese Problemstellung hat sich verschärft. Das heißt, wir können eigentlich nur damit umgehen, indem wir ein bisschen halsstarrig darauf bestehen, dass das unsere Kompetenz ist. Also das braucht Kommunikation. Und wir merken das ja auch im Studium. Man muss erst mal ein sehr präzises Vokabular lernen, um sich überhaupt ausdrücken zu können in dem, was man möchte, was man erreichen möchte.

00:09:13: Prof. Tim Weiffenbach: Wir müssen unbedingt wegkommen von jeder Art von Affekt-Gestaltung, die im Sinne eigentlich nur heißt: Ich habe da so eine Idee und das mache ich dann mal und dann kommt dann der nächste Troll raus. Das ist halt wahnsinnig uninteressant. Es heißt, Methodiken lernen, Kreativ-Werkzeuge lernen. Kreativ-Werkzeuge heißt halt wirklich: Techniken und Methodiken, um sich Problemen zu nähern und Lösungen zu schaffen.

00:09:37: Prof. Tim Weiffenbach: Und das ist unser Auftrag: Lösungen zu erarbeiten. Und wenn das so einfach und aus der Hand zu schütteln wäre und sozusagen in irgendeiner Form nur eine niederschwellige Tätigkeit wäre, dann gäbe es ja auch nicht so was wie »Design Thinking«. Wir haben den Begriff schon oft gehört, der wird gerade in der in der Beratungs- und Entwicklungs-Szene gerne benutzt als ein Workshop-Format: Design Thinking.

00:10:07: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, das heißt nicht umsonst Design Thinking. Das bedeutet: so denken wie Designer*innen denken. Und es ist halt der Versuch, den Designprozess zu methodisieren. Etwas, was wir als Kreative, als Gestalter jeglicher Couleur uns über jahrelanges Arbeiten und diszipliniertes Arbeiten drauf geschafft haben. Wir müssten das auch lernen. Das Interessante ist, wenn wir mit dem Lernen fertig sind, dann ist das wahrscheinlich schon durch diese jahrelange Tätigkeit, die in der Regel schon im Kindergarten anfängt, mit »Ich habe schon immer gezeichnet« ... das ist dann Teil unserer DNA geworden.

00:10:43: Prof. Tim Weiffenbach: Andere versuchen, das mühsam zu methodisieren. Diese Arbeitsweise ist ein Wert an sich.

00:10:49: Dr. Franziska Walther: Ja. Kannst du uns vielleicht mal für die, die jetzt zuhören und sich fragen »Was bedeutet denn Designprozess?« uns einen Einblick geben, was zu so einem Designprozess dazugehört? Das ist ja auch das, was Design Thinking beschreibt: einen Designprozess.

00:11:04: Prof. Tim Weiffenbach: Ich würde da mit einem Zitat einsteigen wollen, das ich sehr gerne mag und dass man dem französischen Künstler und Schriftsteller Francis Picabia zuschreibt. Der hat irgendwann mal gesagt: Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln. Das ist genau das, was kreative Menschen dauernd machen. Ein Kunde hat mal gesagt: Wisst ihr, warum Entscheider auf Managementebene so ein grosses Problem mit ihren Abteilungen haben, die sich in irgendeiner Form kreativ schimpfen? Weil ihr vorher nicht sagen könnt, was nachher rauskommt?

00:11:41: Prof. Tim Weiffenbach: Und genau das beschreibt diesen Prozess. Das ist ein hoch iterativer Prozess. Das heißt, du musst erst mal die Problemstellung versuchen, so genau und so präzise zu beschreiben, wie es nur geht. Dafür brauchst du ein bestimmtes Vokabular und es sollte ein Fachvokabular sein. Du musst einen Point of View haben, der deine Zielgruppe ins Visier nimmt. Und im Zweifelsfall heißt es: User-Centric (Zielgruppenfokussiert).

00:12:10: Prof. Tim Weiffenbach: Nicht umsonst sind UI/UX ein ganz großes Thema im Kommunikationsdesign. Dann musst du dich darauf einlassen, dass du deine Ideen nimmst und sie iterativ bearbeitest, sozusagen in Schlaufen, und immer wieder Prototyping betreibst, indem du sagst: Lasst uns das mal schnell überprüfen. Funktioniert das? Wenn es nicht funktioniert, dann eine Variante testen davon und das noch mal neu machen. Und ich behaupte für kreativ tätige Menschen ist das ein ganz natürlicher Prozess.

00:12:39: Prof. Tim Weiffenbach: Also das ist das Skizzieren der Erfahrungen der Welt oder die Annäherung an eine Problemlösung über die Skizze. Kreative bewegen sich nicht von A nach B. Wir gehen in iterativen Schleifen. Und das versucht so was wie die Methode Design Thinking abzubilden. Also Schleifen machen, schnelle Verbesserung, Prototyping. Das hat auch was mit Empathie, mit Verständnis für die Zielgruppe zu tun.

00:13:10: Prof. Tim Weiffenbach: Da sind ganz viele Elemente dabei, die außerhalb klarer, eindeutiger und linearer Prozessschritte sind, wie man die vielleicht aus der technischen Fertigung kennt, von A nach B. Und das ist eine hohe Qualität, weil dieses Design Thinking, dieses iterative Denken, eigentlich sehr zeitgemäß ist und abbildet, wie man sich in dieser Welt bewegen muss.

00:13:44: Prof. Tim Weiffenbach: Im schlimmsten Fall heißt das halt natürlich – und das kennen wir als Gestalter alle – Kill your darlings. Die kleinste Hürde für kreative Menschen ist, tolle Ideen zu haben. Die haben wir dauernd. Aber wir müssen die halt überprüfen. Wir müssen die überprüfen an dem, was gefordert ist oder was der Aufgabe zugute kommt. Und dann hat man manchmal eine Idee, wo man sagt: Ja, die ist ganz schön.

00:14:09: Prof. Tim Weiffenbach: Aber als einzelner Meister funktioniert die. In der Serie schon nicht mehr. Also: Kill your darlings. Die einzelne Idee hat keinen Bestand, wenn sie im Ganzen nicht funktioniert.

00:14:18: Dr. Franziska Walther: Also das Iterative ist ja, dass ich vom Prinzip viel probiere und beim Probieren im Prozess, beim nach vorne laufen, neue Informationen sammle, die ich gleich wieder mit rein bringe. Und dadurch verändert sich auch die Sicht auf das Problem. Meinst du das damit – mit der Schleife?

00:14:39: Prof. Tim Weiffenbach: Es schärft die Problemstellung – unter Umständen bis dahin gehend, dass man sagt: Lasst uns noch mal die Aufgabenstellung überprüfen. Ja, vielleicht haben wir einen falschen Ansatz gewählt, weil wir ja noch gar nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt. Na also, das. Das ist halt ein bisschen die Unwägbarkeit, aber auch der enorme Vorteil: dass man sich dort vorwärts bewegt und tatsächlich immer wieder auch alles infrage stellen kann.

00:15:04: Prof. Tim Weiffenbach: Es ist natürlich trotzdem, auch wenn es in Schleifen läuft, eine Vorwärtsbewegung. Und das Ergebnis ist meistens besser, als wenn man dem Prinzip folgt: Das haben wir schon immer so gemacht und das machen wir auch weiter so! Das ist halt einfach überhaupt nicht mehr zeitgemäß.

00:15:21: Dr. Franziska Walther: Und wenn wir jetzt mal die Parallele ziehen zu KI-Tools: Da ist es ja so, dass man sagt, das haben wir schon immer so gemacht. Man definiert den Prompt mit der Idee, dass man ja eigentlich schon weiß, was das Ergebnis ist. Oder?

00:15:38: Prof. Tim Weiffenbach: Also zum einen glaube ich, dass wenn man das ernst nimmt, das Arbeiten mit Kreativen, das Kooperative, das Partizipative, die Einflussnahme und den Austausch zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ... so nenne ich das jetzt mal ... dass das wesentlich zielführender und effizienter ist, als wenn ich etwas eingebe in eine Maschine. Bin da jetzt auch mal ganz pessimistisch und sage: Die meisten Leute können überhaupt gar kein ordentliches Briefing schreiben, wenn sie ihr Problem noch nicht definiert haben.

00:16:13: Prof. Tim Weiffenbach: Wie soll das denn mit einem Prompt besser werden? Und jetzt haben wir auch noch ein interessantes Problem mit der KI: Die generative KI schöpft nicht, sondern durch ihr Prinzip der Wahrscheinlichkeitsrechnung produziert sie einfach immer das Erwartbare. Für den Laien mag das nach was Neuem aussehen. Aber deshalb haben wir halt auch genau diese Effekte. Neue Studien des MIT zeigen, dass im Amateurbereich Effizienz-Zuwächse zu erkennen sind durch die Nutzung von Generativer KI. Auch in Bereichen, die hoch automatisiert sind. Weil sie halt mit festen Komponenten arbeiten.

00:16:54: Prof. Tim Weiffenbach: In diesen Bereichen gibt es eher so eine Stagnation. Aber es ist interessant, dass im professionellen Bereich tatsächlich eher Effizienz-Verluste festzustellen sind. Weil Profis halt genau wissen, wo sie hinwollen und eigentlich die ganze Zeit bei der KI nur versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Deshalb ist der Aha-Effekt im Amateurbereich größer und bei den Profis eher geringer. Und die Unternehmen stellen auch fest, dass sie auf der professionellen Ebene tatsächlich im Moment kein Return of Invest feststellen können.

00:17:28: Prof. Tim Weiffenbach: Nach diesem großen Hype, der entstanden ist und der natürlich irgendwie dazu geführt hat, den Gedanken zu entwickeln wie: Wir brauchen jetzt nur noch die Hälfte der Designer*innen, weil das erledigt jetzt die Maschine. Aber wir stellen tatsächlich fest, dass wieder vermehrt Designer*innen gesucht werden über Stellenanzeigen, weil man festgestellt hat: Aha, so einfach ist es dann doch nicht.

00:17:52: Prof. Tim Weiffenbach: Und der Zeitgewinn ist auch nicht da. Weil ich muss jetzt erst mal alles lernen, was einen Designer ausmacht. Das nimmt mir die Maschine nicht ab. Wenn ich keine Beurteilung Kompetenz hab ... wenn ich noch nicht mal in Worte fassen kann, was dabei richtig rauskommen soll, weil ich quasi das Problem gar nicht definieren kann, ist es Zeitverschwendung.

00:18:14: Prof. Tim Weiffenbach: Da frage ich doch lieber jemanden, der sich damit auskennt.

00:18:17: Dr. Franziska Walther: Ja, ja, das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe das hier im Podcast schon ein paar mal erzählt. Ich hab natürlich auch so ein paar Tools getestet, einfach auch um zu wissen und um besser einschätzen zu können, was man damit erreichen kann, was möglich ist. Und mir ist aufgefallen, dass meine Ergebnisse ... also ich hab es nur für Texte benutzt ... aber dass für meine Texte die Ergebnisse schlechter sind.

00:18:41: Dr. Franziska Walther: Dass ich das aber auch nur einschätzen kann, weil ich vorher schon selbst so viel Erfahrung gesammelt habe, dass ich in der Lage bin, meine eigenen Texte zu bewerten. Und ich habe dann in dem Moment gedacht: Oh mein Gott, wie ist das denn für Leute, die noch nie irgendwas gestaltet haben und dann aber selbst etwas produzieren und überhaupt nicht die Tools haben, um bewerten zu können, ob das jetzt ein gutes Ergebnis ist.

00:19:04: Dr. Franziska Walther: Oder ein schlechtes Ergebnis. Dazu braucht man ja Erfahrung und Kompetenz und Expertise.

00:19:09: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, sehe ich ganz genauso. Und ehrlich gesagt sollte das keine Überraschung sein, weil es schlichtweg für jeden Beruf zutrifft.

00:19:16: Dr. Franziska Walther: Das stimmt so sehr.

00:19:18: Prof. Tim Weiffenbach: Also es ist ganz erstaunlich, dass viele meinen, dass in kreativen Berufen das nicht gelten würde. Aber das hat ganz klar etwas mit einer in meinen Augen sehr kontraproduktiven Romantisierung des kreativen Berufes zu tun. Der Musen-Kuss, das Talent, lauter solche Geschichten. Das ist alles Murks. Das ist Quatsch. Und ehrlich gesagt, auch wenn es freundlich gemeint ist ... wenn Leute sagen: Sie sind so wahnsinnig talentiert ... wenn man da mal so ein bisschen nachspürt, was damit gesagt wird, würde ich sagen: Ehrlich gesagt ist das eine Herabwürdigung meiner Disziplin und meiner Arbeit, die ich da reingesteckt habe.

00:19:59: Prof. Tim Weiffenbach: Nein, da ist keine Fee vorbeigekommen, die mich bestäubt hat mit irgendwelchen Feenzauber und seitdem bin ich ein wahnsinnig guter Kreativer. Nein, so funktioniert das nicht. Da steckt viel Arbeit und Disziplin drin. Und das hat aber auch was mit so einer unnötigen Romantisierung zu tun, die wir uns als angewandte Gestalter, sage ich mal, leider von den bildenden Künstlern abgeguckt haben.

00:20:23: Prof. Tim Weiffenbach: Das gehört aber nicht zusammen. Wir haben nur eine Schnittmenge und die Schnittmenge ist Ästhetik. Alles andere kann sehr grundverschieden sein in dem, was wir tun.

00:20:33: Dr. Franziska Walther: Kannst du das noch mal so ein bisschen genauer erläutern? Weil ich glaube, dass sich jetzt einige fragen, wie du das meinst. Worin unterscheidet sich die freie Kunst von angewandter Gestaltung.

00:20:42: Prof. Tim Weiffenbach: Als allererstes in der Motivation. Als freier Künstler entäußere ich mich selber. Ich teile mich der Welt mit. Das ist meine erste und wichtigste Motivation. Und ich versuche eben zu formulieren, was meine Botschaft an die Welt ist, wie ich die Welt sehe, wie ich die wahrnehme, was ich darüber sagen will. Ich habe kaum Restriktionen in der Wahl meiner Mittel. Und ich muss mich im Zweifel auch mit niemandem darüber auseinandersetzen, ob ich das Problem gelöst habe oder nicht.

00:21:14: Prof. Tim Weiffenbach: Das ist jetzt erst mal so das Idealbild. Faktisch ist es natürlich so ... da müssen wir uns keine Illusionen machen ... große Künstler*innen unterhalten ganze Büros, haben Mitarbeitende und verstehen durchaus auch was von Marketin. In dieses Marketing gehört aber auch genau diese Pflege des romantischen Bildes des inspirierten Künstlers, der von der Muse geküsst wird. Weil das ein Distinktionsmerkmal gegenüber dem normalen Menschen ist.

00:21:42: Prof. Tim Weiffenbach: Das ist das, was man nachher sozusagen mit der Kunst, wenn man sie sich denn leisten kann, auch irgendwie einkaufen will. Diesen Geniestreich. Das ist aber ein Marketinginstrument. Und der Künstler steht an dieser Position und sagt: Hier bin ich und ich teile mich der Welt mit. Der angewandte Gestalter sagt: Ich löse Probleme, die die Welt in Form von Aufträgen an mich heranträgt.

00:22:06: Dr. Franziska Walther: Hm.

00:22:08: Prof. Tim Weiffenbach: Das sind eine ganz andere Positionen, weil: ich muss ein hohes Verständnis für die Problemstellung entwickeln, auch wenn die erstmal überhaupt nichts mit dem zu tun, was ich schon kenne. Das bedeutet: neue Branchen, neue Themen. Das heißt, ich brauche eine sehr hohe Auffassungsgabe. Ich muss reflektieren. Ich sollte einen Methoden-Koffer haben, den ich anwenden kann, um auch methodisch und nicht einfach über irgendwelche wilde Inspiration zu irgendwelchen Lösungen zu kommen, sondern damit ich mich tatsächlich dem Problem methodisch annähere und immer im Blick behalte, dass ich ja am Ende ein Kommunikationsproblem löse.

00:22:50: Prof. Tim Weiffenbach: Und die Schnittmenge zwischen diesen beiden Disziplinen würde ich als die Ästhetik beschreiben. Wir stellen uns das mal wie ein Venn-Diagramm vor: zwei sich überschneidende Kreise mit einer Schnittmenge. Die Schnittmenge ist im Zweifelsfall die Ästhetik und innerhalb der zwei Kreise gibt es natürlich Positionen, die sich verschieben. Wenn ich ein Gestalter bin, zum Beispiel im musealen Raum, dann habe ich einen ganz klaren Auftrag.

00:23:21: Prof. Tim Weiffenbach: Wenn ich allerdings eine Illustratorin bin, die ein Kinderbuch macht, dann rücke ich schon sehr viel näher in den Kunstbereich rein. Also ich bewege mich sozusagen in meinem Raum von der einen Seite zur anderen Seite. Einfach weil die Auftragsanforderungen sich verändern und sich das natürlich auch in meinem Berufsbild, in meiner Nische, dann so abbildet. Deshalb wird es zum Beispiel bei Kinderbuch-Illustrator*innen da auch deutlich wichtiger, dass die einen Stil haben und eine wiedererkennbare Personnmarke sind.

00:23:55: Prof. Tim Weiffenbach: Und ja, hier kann man und unter Umständen auch freier arbeiten. Aber auch da wissen wir: es gibt im Zweifelsfall in Text-Gerüst. Es gibt Autor*innen. Es gibt Lektor*innen, die mitreden wollen. Also es ist jetzt nicht so, dass man einfach komplett im freien Raum arbeitet. Das sollte man auch im Blick behalten.

00:24:18: Dr. Franziska Walther: Hm. Wenn wir jetzt mit dieser Perspektive weiterdenken: Was sind denn so die Fähigkeiten, die Designer*innen zukunftsfähig machen im Kontext dieses KI-Paradigmenwechsels, der gerade stattfindet?

00:24:35: Prof. Tim Weiffenbach: Also ich glaube, es wird eine Markt-Verschärfung an bestimmten Stellen geben. Es wird so etwas wie einen Fast-Fashion-Markt für Illustrationen geben. Also etwas, wo die Grundlage eh schon in der Stock-Illustration liegt oder in Plattformen wie Fiverr oder ähnlichem. Also Plattformen, wo es einfach heißt: Schnell. Billig. Nicht nachhaltig. Mit geringer Qualität. Das wird auch für Illustrationen stattfinden.

00:25:04: Prof. Tim Weiffenbach: Das führt wahrscheinlich sogar zu Kannibalisierung innerhalb der eigenen Plattformen. Da bin ich sehr gespannt, was da passieren wird. Also wenn billig gegen billig antritt. Da gilt es sich von abzugrenzen. Das heißt: Wir müssen uns positionieren, müssen die Positionierung schärfen als Illustrator*innen und Gestalter*innen.

00:25:25: Dr. Franziska Walther: Hier eine kurze Randnotiz in eigener Sache: Wenn du dich jetzt beruflich klar positionieren möchtest, dann komm in die Portfolio-Akademie. Die Portfolio-Akademie ist mein 14-wöchiges Live-Gruppen-Programm für Illustrator*innen und Designer*innen und darin positionierst du dich. Und das bedeutet, dass du Design- und Illustrations-Angebote entwickelst, die Kund*innen auch in Zukunft noch dringend brauchen. Und wenn du das gemacht hast, dann entwickelt du dann damit eine klare Akquise-Strategie, damit du mit diesen Angeboten genau diese Kund*innen auch erreichst.

00:26:06: Dr. Franziska Walther: Aber in der Portfolio-Akademie kannst du dich eben auch austauschen mit anderen ganz großartigen Kreativen, die genauso wie du erfolgreich Akquise machen wollen. Die nächste Portfolio-Akademie startet im Frühling 2026. Das ist noch eine Weile hin, aber du kannst dich jetzt schon unverbindlich und für 0 € auf die Warteliste eintragen und damit bekommst du dann, wenn es wieder losgeht, ein ganz besonderes und unverbindliches Wartelisten-Angebot.

00:26:33: Dr. Franziska Walther: Es lohnt sich also, sich auf die Warteliste einzutragen. Weitere Infos dazu findest du unter www.diegutemappe.de/PA: P wie Portfolio und A wie Akademie. Und damit: Ende Randnotiz. Weiter geht’s.

00:26:51: Prof. Tim Weiffenbach: Und vielleicht kommt dann noch so ein unterschätzter Faktor hinzu: Auch unsere Kund*innen werden sich positionieren müssen. Die sind jetzt erst mal auf den Hype aufgesprungen, haben versucht, sich mit KI Dinge zu generieren. Ich habe ganz, ganz furchtbare Ergebnisse gesehen, wo ich sage: Wie ist das denn durchgegangen? Vor zwei, drei Jahren hätte kein Art Direktor mir das durchgehen lassen.

00:27:18: Prof. Tim Weiffenbach: Wir sind also an so einem Punkt angekommen, der heißt: Genug ist gut genug ... was kein guter Punkt ist. Denn ich glaube auch, dass Konsumenten das auch sehen. Die merken das auch. Die lassen sich nicht gerne täuschen. Und dann verlieren Marken und Angebote tatsächlich an Glaubwürdigkeit und schlichtweg an Wert. Also um sich davor zu schützen, halte ich es für durchaus denkbar, dass der Verzicht auf generative KI, also eine gewisse Authentizität, tatsächlich dafür sorgt, dass Marken auch ein Distinktionsmerkmal behalten, dass sie nicht untergehen in dem, was alle anderen machen.

00:28:03: Prof. Tim Weiffenbach: Ich glaube, der Gedanke ist noch nicht ganz angekommen, weil man im Moment noch denkt, dass man alles irgendwie effizienter und billiger machen kann. Aber am Ende kommt einfach nur mehr raus. Und ehrlich gesagt hatte ich nicht das Gefühl, dass das Mehr ein Problem für uns ist. Ich dachte, es geht um »besser«. Und ich glaube, besser ist tatsächlich immer das entscheidende Kriterium auch für Konsumenten.

00:28:29: Dr. Franziska Walther: Genau. Da beschreibst du etwas, was mir auch schon aufgefallen ist und was irgendwie so absurd ist. Im Moment wird gerade in dieser Technik-Blase kommuniziert, dass das das, was KI-Tools uns ermöglichen, ist, schneller mehr zu machen. Und Mehr ist ja wirklich nicht unser Problem. Es gibt ja schon unglaublich viel. So viel, dass es nicht möglich ist, alle Inhalte zu konsumieren.

00:28:52: Dr. Franziska Walther: Ich habe gelesen: Dieses Jahr gibt es so viele Menschen auf Instagram, die so viel posten, dass es einfach nicht mehr genug Publikum gibt, diese ganzen Inhalte zu konsumieren. Deswegen sind die Reichweiten von vielen Accounts dieses Jahr eingebrochen. Einfach weil das Publikum nicht groß genug ist. Es gibt einfach nicht genug Menschen, um das alles zu konsumieren, was da gerade gepostet wird.

00:29:12: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, du beschreibst ja wunderbar die Absurdität des Gedankens. Also mit Mehr wird man niemanden mehr kriegen. Im Gegenteil. Du hast es ja quasi faktisch beschrieben: Das Mehr sorgt dafür, dass ich Menschen verliere als Adressaten. Also es geht einfach um Authentizität und auch um Integrität, sowohl für Kunstschaffende, für Kreative, aber auch eben für Auftraggebende. Das sind Werte, die tatsächlich sogar auch einen ganz konkreten monetären Wert haben.

00:29:47: Prof. Tim Weiffenbach: Das sollte nicht vergessen werden. Und vielleicht sorgt im Moment gerade alles dafür, dass man sich das selbst untergräbt.

00:29:55: Dr. Franziska Walther: Ich habe aber das Gefühl, dass es auch eine Gegenbewegung gibt und dass Leute auch ermüdet sind von diesen perfekten Bildern, die aber ganz oft eben nicht lebendig sind. Dass Menschen einfach biologisch, physiologisch, psychologisch mehr brauchen. Wir brauchen ja andere Menschen. Wir brauchen nicht einfach mehr Produkte und mehr Content zum Konsumieren. Wir brauchen echte Verbindungen und die Möglichkeit, andocken zu können an echte Geschichten.

00:30:25: Dr. Franziska Walther: Und ich bin da ehrlich gesagt schon optimistisch, dass wir da vielleicht jetzt gerade durch so einen Lernprozess durchgehen, der vielleicht gerade keine politisch Regulierung von außen erfährt, aber der sich dadurch reguliert, dass wir gerade auch Erfahrungen machen, indem wir merken: Sso toll ist das gar nicht, was uns da die ganze Zeit als das Tollste der Welt beschrieben wird.

00:30:47: Prof. Tim Weiffenbach: Folge ich dir gerne. Ja, und dieser enorme Zuwachs, der da entsteht an Simulation, das ist Lebensersatzstoff. Wir wollen uns nicht von Ersatzstoffen ernähren. Das ist jetzt mal so ein Ding. Das schauen wie uns alle an, das ist das neue »Shiny Tool«. Aber es ersetzt etwas, worum niemand gebeten hat. Ich glaube, wir können da jetzt, um beim Thema zu bleiben, als Kreative halt wirklich etwas dagegensetzen.

00:31:17: Prof. Tim Weiffenbach: Also weil Kreativität mehr als nur Generieren ist. Das ist ein zutiefst menschlicher Akt: das Hinterfragen, was das bedeuten soll. Das braucht so viele menschliche Eigenschaften: Empathie, Reflektionen, kulturelles Bewusstsein, Subjektivität – im besten Fall eben auch noch eine Haltung. Wir schaffen als Kreative Bedeutung in dieser Welt. Und eben nicht einfach nur irgendwelche Bilder. Die KI kann das nicht. Die versteht auch solche typisch menschlichen Sachen nicht wie Ironie, Zwischentöne oder Verantwortung. Das sind für die KI überhaupt gar keine Werte.

00:31:58: Prof. Tim Weiffenbach: Das Wort Intelligenz wird hier so ein bisschen überdimensioniert gebraucht, meiner Meinung nach. Weil es ist halt nur eine Wahrscheinlichkeits-Rechnerei. Da ist kein Wesen, das irgendetwas versteht.

00:32:15: Dr. Franziska Walther: Ja, die »KI« arbeitet mit Logik. 100 % Logik. Und Menschen sind halt nicht nur Logik, sondern Menschen zeichnen sich auch dadurch aus, dass wir eben auch empathisch sind, Emotionen haben, Intuition haben. Und dazu eben auch noch Logik. Das ist ja auch was, das wir gut können. Logisch denken und logisch handeln. Aber die anderen Sachen haben auch einen großen Wert und machen uns zu Menschen.

00:32:42: Dr. Franziska Walther: Das können wir einfach besser als die ganzen KI-Tools. Aber um den Kreis mal zu schließen: Was glaubst du denn? Was sollten wir als Kreative denn jetzt tun, um uns für die Zukunft zu rüsten? Was können wir tun?

00:32:56: Prof. Tim Weiffenbach: Also es hängt auch ein bisschen von den Feldern ab, die Nischen, wo man unterwegs ist. Aber grundsätzlich würde ich sagen, brauchen wir Mut zur eigenen Handschrift. Weil ich nach wie vor daran glaube, dass weder das Publikum noch Auftraggebende generische Lösungen wirklich mögen. Das muss aber nicht unbedingt ein Stil sein. Sondern das kann auch eine Art sein, als Gestalter zu denken, eine bestimmte Haltung einzunehmen oder bestimmte Werte zu vertreten.

00:33:28: Prof. Tim Weiffenbach: Also ich würde das gerne auf so einer etwas übergeordneten Ebene halten wollen. Die Gesamtheit des Kreativen ist halt so eine Mischung aus Denken, Gestalten und Handeln. Und das ist, glaube ich, das, worauf wir uns konzentrieren sollten. Und wo wir gleichzeitig auch Fähigkeiten ausbauen müssen, die jetzt nicht ganz so typisch für Kreative sind in der Beschreibung.

00:33:59: Prof. Tim Weiffenbach: Also wir müssen sehr viel mehr versuchen, in die Beratung unserer Kund*innen reinzugehen. In das Kuratieren von bestimmten Dingen. Wir müssen uns positionieren als Problemlöser, als Visual Thinker, mit der Betonung auf Thinker. Dass wir da eben mehr können. Dass wir eben nicht nur der verlängerte Arm sind. Ja, das bedeutet natürlich auch, dass wir als Kreative noch mehr dazu angehalten sind, ein eigenes kleines Unternehmen zu sein oder zu werden.

00:34:36: Prof. Tim Weiffenbach: Und leider Gottes dann auch als eine Einzelperson alle Rollen auszufüllen in diesem kleinen Unternehmen. Etwas, was man vielleicht vorher nicht in dieser Dimension so musste. Aber wir sind das ja alle schon gewahr geworden durch dieses: Du musst auf allen Social-Media-Kanälen unterwegs sein. Man wird dann quasi automatisch zum Marketingexperten, zum PR Menschen in eigener Sache.

00:35:06: Prof. Tim Weiffenbach: Und bei all diesen Rollen, die man auf einmal besetzen muss, verändert sich automatisch ... zumindest sollte sie das ... die Positionierung. Und das geht im Idealfall natürlich auch damit einher, was dann so mein Steckenpferd wäre, dass sich das natürlich auch in der Vergütung widerspiegelt.

00:35:25: Dr. Franziska Walther: Ja, definitiv. Ich glaube, du hast das gerade sehr schön beschrieben. Auf eine gewisse Art und Weise ist es jetzt noch notwendiger, sich selbst als Unternehmen zu verstehen und damit kommt eben auch die Notwendigkeit, sich ein paar wirtschaftliche Kompetenzen anzueignen, um vielleicht auch die gleiche Sprache zu sprechen wie unsere Kund*innen. Das ist nämlich auch so ein Grundproblem, was wir haben als Kreative haben. Vielen Kreativen fällt es schwer, die wirtschaftliche Sprache zu sprechen.

00:35:53: Dr. Franziska Walther: Und dadurch neigen Kund*innen dazu, uns nicht ernst zu nehmen. Wenn wir die gleiche Sprache sprechen können wie unsere Kund*innen und auch deren Wirtschaftsmodell verstehen und beweisen können mit dem, was wir sagen, dass wir verstehen, wie die arbeiten und was für sie wichtig ist, dann wird es automatisch leichter, auf Augenhöhe auch wahrgenommen zu werden.

00:36:16: Dr. Franziska Walther: Und ich finde es auch total schön, was du gerade gesagt hast – weil eine eigene Stimme zu entwickeln, Haltung zu entwickeln ... das hat eben nicht ausschließlich etwas mit Stil zu tun. Für mich hat das ganz viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Dass man sich die Zeit nimmt, sich selbst als Mensch kennenzulernen und auch eine Haltung zu entwickeln.

00:36:33: Dr. Franziska Walther: Das ist ja auch Prozess im Sinne von Reifung: weiser werden, erwachsen werden und damit wegzukommen von diesem formalen Stil im Sinne von: »Ich zeichne mit Kontur und hauptsächlich mit diesen Farben«. Weil das braucht halt einfach niemand mehr. Das kann »die KI« wirklich gut. Aber einen echten Menschen mit einer Haltung und mit einem Erfahrungshorizont – ein echtes Gegenüber – zu haben, das wird einfach auch weiterhin für Kund*innen wertvoll bleiben.

00:37:06: Prof. Tim Weiffenbach: Ich gebe dir absolut Recht. Und du hast das auch super beschrieben. Das ist tatsächlich ein Wert, von dem wir alle selbst wissen, dass er sich über Erfahrung und über jahrelange Tätigkeit ausbildet – und was noch viel stärker gemacht werden sollte. Also jede*r sollte sich bewusst darüber sein, dass es für selbst eine Ausbildung der eigenen Person Marke als eine Einheit von Haltung, Geist, Denken, auch von Handwerk sein muss.

00:37:35: Prof. Tim Weiffenbach: Aber das muss eine größere Einheit werden. Und nicht umsonst ... du hast es auch gerade sehr schön beschrieben ... müssen wir da ein hohes Verständnis für die Bedarfe unserer Kund*innen entwickeln. Wir müssen die da auch abholen. Denn teilweise können sie es eben gar nicht selbst formulieren. Sie wissen, sie haben ein Problem. Aber da fehlt ihnen halt wieder das Vokabular. Nicht umsonst haben wir im Studium tatsächlich einen Kurs, der heißt Kommunikationskompetenzen, wo die Studenten das tatsächlich lernen.

00:38:03: Prof. Tim Weiffenbach: Aus dem schlichten Grund: Wir alle kennen das und es trifft auf bestimmt auf viele von uns zu. Und ich nehme mich da nicht aus. Gerade als Zeichner*in ist man häufig ein Eigenbrötler. Man macht so Kram vor sich hin und andere Leute stören eigentlich nur. Ja, das geht natürlich nicht mehr, wenn man im Beruf unterwegs ist.

00:38:24: Prof. Tim Weiffenbach: Da muss man sich mit Menschen auseinandersetzen. Und ich kann auch nur dazu raten: Leute können toll sein! Ich habe ganz, ganz bezaubernde Menschen kennengelernt, die hoch spannend waren. Also raus aus dem Keller, rein ins Leben. Das darf man Kreativen gerne zurufen. Und ja, deshalb müssen wir Verständnis für unser Gegenüber entwickeln. Und ich glaube, wir können das auch sehr gut.

00:38:50: Prof. Tim Weiffenbach: Wir sind es halt nur nicht gewohnt.

00:38:52: Dr. Franziska Walther: Ja, da stimme ich dir voll zu. Ja, ich hab da ja auch vollstes Mitgefühl. Ich bin auch gerne alleine an meinem Schreibtisch und tüdele vor mich hin. Das geht wahrscheinlich allen Kreativen so.

00:39:05: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, ja, weil dann kommt man in den Flow. Das ist gut und hoffentlich stört jetzt keiner. Und nicht umsonst bin ich eine Eule und arbeite lieber nachts. Weil ich weiß: jetzt klingelt kein Telefon mehr. Keine Email muss sofort beantwortet werden. Die Familie ist im Bett. Wunderbar. Alle lassen mich in Ruhe. Dann kann der Flow kommen.

00:39:23: Dr. Franziska Walther: Das geht mir ganz genauso. Aber vielleicht noch mal von einer anderen Perspektive draufgucken. Was sind denn so drei Dinge, die Kreative jetzt gehen lassen sollten, um zukunftsfähig zu bleiben?

00:39:33: Prof. Tim Weiffenbach: Dieser Mythos vom romantischen Künstler-Beruf, weil das am Ende eher kontraproduktiv ist. Weil wir als angewandte Gestalter dort nicht richtig gut aufgehoben sind. Dieses romantisierte Bild, das sollten wir stark eindämmen, hin zu: Wir sind visuelle Denker, wir sind Problemlöser. Damit einher geht die Geschichte vom Talent als das Einzige, was uns in unserer Profession ausmacht und woher unsere Kompetenz kommt.

00:40:06: Prof. Tim Weiffenbach: Das stimmt natürlich nicht. Also ein bisschen Talent kann nichts schaden. Aber wir wissen alle, das macht vielleicht nur 10 % unserer Arbeit aus, dass wir da so ein bisschen Talent haben. Am Ende würde ich behaupten wollen: die meisten, die das als Talent beschreiben, waren einfach nur zur stur, als Kind den Stift aus der Hand zu legen. Aus Gründen! Die haben einfach weitergemacht.

00:40:30: Prof. Tim Weiffenbach: Also auch da ... dieses dieser nette Satz, wenn jemand fragt: Wann haben Sie denn angefangen zu zeichnen? Dann antworte ich gerne: Wann haben Sie denn aufgehört? Na, alle Kinder machen das. Wir sind halt die, die nicht aufgehört haben. Aber ob das jetzt Talent ist, das sei mal dahingestellt. Und das geht alles Hand in Hand bei diesen Sachen, die ich jetzt gerade aufzähle.

00:40:56: Prof. Tim Weiffenbach: Wir müssen den Point of View ganz klar wechseln. Es geht nicht so sehr um uns. Also wir wollen uns nicht überall nur selbstverwirklichen. Das würde ich jetzt nicht als unsere Aufgabe beschreiben wollen. Klar bewegt man sich da in einem gewissen Spektrum, je nachdem, wo man unterwegs ist. Also ob man exakte technische Zeichnungen komplizierter Geräte macht oder ein total anrührendes Kinderbuch illustriert.

00:41:26: Prof. Tim Weiffenbach: Das ist natürlich auf dem Spektrum der Tätigkeiten weit auseinander. Und bei dem einen hat man mehr Selbstverwirklichung oder künstlerische Handhabe als bei dem anderen. Aber grundsätzlich würde ich behaupten wollen, arbeiten wir für etwas und dieses »für etwas« sind erst mal nicht wir.

00:41:47: Dr. Franziska Walther: Das sind alles drei Sachen, die sehr viel mit dem Selbstbild zu tun haben. Also wenn ich jetzt mal so vom Mythos Talent und Musenkuss ausgehe, sind das ja auch so Dinge, die stark mit dem Ego verbunden sind. Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, denen das sehr schwerfällt, das gehen zu lassen, weil das einen natürlich auch besonders macht.

00:42:08: Prof. Tim Weiffenbach: Ja. Ich geb dir recht, dass man darüber mal nachdenken muss. Und dass das vielleicht eine schmerzhafte Erfahrung sein kann. Aber ich würde es dann vielleicht ... ich hoffe, dieser Gedanke ist richtig ... so einordnen wollen: Wenn du dich so auf dein Talent stützt, also dass es da so etwas Gott-Gegebenes gibt von einer höheren Macht, dann hat das ungefähr dieselbe Qualität wie deine Hautfarbe.

00:42:33: Prof. Tim Weiffenbach: Du kannst gar nichts dafür. Das ist so, wie es ist. Das ist also auch kein besonderer Verdienst, dass du das hast. Und du solltest das vielleicht nur sehr bedingt zum Kern deiner Identität machen.

00:42:48: Dr. Franziska Walther: Das ist ein sehr guter Gedanke. Und um jetzt mal den direkten Vergleich aufzumachen: Was macht uns als Kreative denn so wertvoll? Beziehungsweise: was können KI-Tools nicht, was wir können?

00:42:59: Prof. Tim Weiffenbach: Also ich glaube zunächst mal ... und da sind wir halt auch so einer Metaebene unterwegs ... die Verbindung mit der Welt. Wir haben Empathie. Wir verstehen unser Gegenüber. Wir schaffen Bedeutung und Sinn, weil wir über Dinge nachdenken. Weil wir nicht nur das nächste wahrscheinliche Wort aneinanderreihen, sondern weil wir versuchen, uns Aufgabenstellungen zu stellen und auch Widersprüche auszuhalten. Das kann die Maschine überhaupt nicht.

00:43:30: Prof. Tim Weiffenbach: Ambiguität, Zwischentöne, Ironie? Ganz schwierig, weil die Maschine weder Empathie hat noch irgendwas versteht. Und das mögen alles weiche Faktoren sein. Aber ich glaube, die sind wichtig, weil wir damit eben auch nicht nur reagieren, sondern als Kreative auch Impulse setzen können. Also wir können entscheiden, welche Bilder ein Thema schärfen, welche Bilder einen Diskurs eröffnen können, welche Haltung wir sichtbar machen wollen im Zusammenspiel mit unserem Publikum und mit unseren Auftraggebern.

00:44:11: Prof. Tim Weiffenbach: Wir sind eine Stimme in dieser Welt und als Kreative schaffen wir für uns, aber auch für alle anderen eine Verbindung zu dieser wirklichen Welt. Das ist ein wahnsinnig großer Wert. Wir sind ein Filter. Wir sind ein Sprachrohr. Wir sind ein Fernrohr. Wir schaffen im besten Falle so ein kleines Fitzelchen Erkenntnis. Ja, und ich glaube, dabei ist auch ganz wichtig, dass man noch mal so eine Sache versteht.

00:44:45: Prof. Tim Weiffenbach: Auch unsere Kund*innen ... bleiben wir mal im Verhältnis Kunde ... wollen ja mit Menschen reden. Man muss sich das einfach mal genau vorstellen. Ein Kunde sagt einer Maschine: Mach es so, dass ich mit Menschen reden kann. Da habe ich leichte Stör-Gefühle. Ich persönlich würde sagen: Ihr wollt doch am Ende mit Menschen reden. Also dann nutzt doch andere Menschen, die euch genau sagen oder zeigen oder aufzeichnen können, wie man mit Menschen kommuniziert.

00:45:15: Prof. Tim Weiffenbach: Das scheint mir der logischere Schluss zu sein. Ja, das ist ein wahnsinnig großer Wert.

00:45:20: Dr. Franziska Walther: Ja, und unabhängig von Kund*innen oder nicht? Wir brauchen ja alle Menschen, die uns Sachen zurückspiegeln. Weil wir ja alle nur in unseren Körpern drin sitzen. Und aus unseren zwei Augen in die Welt rausgucken und nur unsere eigene persönliche Perspektive kennen. Und bestimmte Dinge können wir einfach nicht sehen. Wir brauchen manchmal auch Menschen, die uns zurück spiegeln, was sie von uns wahrnehmen.

00:45:44: Dr. Franziska Walther: Wir können zwar im Spiegel angucken, aber wir sehen uns nicht die ganze Zeit im echten Leben: deshalb brauchen wir Menschen, die uns beobachten und zurück spiegeln können. Das ist ja auch psychologisch wirklich wichtig und überhaupt nicht esoterisch. Das ist menschlich zwingend notwendig, dass wir andere Menschen haben, die uns Sachen zurück spiegeln, damit wir die Welt überhaupt gut verstehen können.

00:46:03: Prof. Tim Weiffenbach: Ja.

00:46:05: Dr. Franziska Walther: Ich habe vor kurzem ein Artikel gelesen: chatGPT neigt ja dazu, die ganze Zeit positiv zu unterstützen. Der Bot behauptet ja immer, dass man gerade die tollste Sache der Welt geschrieben hat, obwohl man es nicht mal selbst geschrieben hat, sondern nur ein Prompt geschrieben hat. Und der Text kommt eigentlich vom Bot. Und diese positive Übertreibung ist total kontraproduktiv und macht die Arbeit wirklich schlechter. Und gleichzeitig sorgt aber es auch dafür, dass Menschen sich eben nicht mehr besser fühlen.

00:46:30: Dr. Franziska Walther: Es fühlt sich halt einfach so leer und hohl an, was es ja auch ist.

00:46:36: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, ich glaube einfach, dass es menschliche Qualitäten gibt, die man zusammen tatsächlich auch erstreiten muss. Wo man sich dran aneinander reiben muss, auch wenn man ein gemeinsames Ziel hat, aber vielleicht einfach unterschiedliche Perspektiven auf dasselbe Ziel hat. Und da hilft so ein jovialer, gutmeinender Ton nicht immer weiter. Sondern man braucht wirklich eine Reflexion. Und darin sind Menschen ganz gut drin.

00:47:07: Dr. Franziska Walther: Ja. Ja. Menschen sind toll.

00:47:13: Prof. Tim Weiffenbach: Ja, Menschen sind toll. Lieber im Einzelnen als in der Masse. Aber generell sind sie toll.

00:47:21: Dr. Franziska Walther: Ja, sehr gut. Ich habe jetzt noch zwei Fragen zum Abschluss. Was ist denn das, was dir am meisten Freude macht in deinem Beruf? Ich meine, du machst verschiedene Sachen. Du arbeitest in der Lehre. Du bist Illustrator. Du bist auch Designer und Kreativdirektor. Aber was ist das, was dich in deinem Beruf, in der ganzen Fülle und in den ganzen Expertisefeldern, die du hast, glücklich macht?

00:47:49: Prof. Tim Weiffenbach: Also was mich glücklich macht, ist tatsächlich: ein kommunikatives Problem gelöst zu haben. Was natürlich durchaus davon abhängt, dass mein Gegenüber sagt, dass es gelungen ist. Das soll aber jetzt nicht das Lob sein, sondern einfach nur das Danke, dass es funktioniert. Das macht mich sozusagen im Ergebnis glücklich. In der Arbeit selber ... und das trifft hoffentlich auf uns alle zu, sie wir gerne einen Stift halten ...

00:48:16: Prof. Tim Weiffenbach: Ich mach das einfach gerne. Also ich zeichne gerne. Ich gestalte gerne. Ich gehe gern auf diese Reise. Selbst wenn ich vielleicht schnell eine Anfangsidee entwickle, gehe ich trotzdem durch diesen ganzen iterativen Prozess durch. Und das ist eine Reise: Ich verwerfe. Ich mache neu. Ich fange wieder an. Ich gucke mir noch mal die Fragestellung an und ich finde diese Reise interessant.

00:48:42: Prof. Tim Weiffenbach: Das das macht wirklich Spaß, insbesondere wenn dann ein Ergebnis rauskommt, von dem ich selbst überzeugt bin und mit dem ich wiederum mein Gegenüber auch überzeugen kann.

00:48:53: Dr. Franziska Walther: Ja, das kann ich so nachvollziehen. Das geht mir ganz genauso. Der Prozess macht froh und macht mich glücklich. Und jetzt als Gegenstück: Was ist das Unangenehmste daran, Gestalter zu sein?

00:49:10: Prof. Tim Weiffenbach: Ich glaube, etwas, von dem Psychologen sagen würden: Mach nicht deine Leidenschaft zum Beruf. Es ist naheliegend. Ich würde es nicht anders haben wollen, aber das bringt halt eine ganz hohe Form von Disziplin mit sich. Wir stecken sehr viel Herzblut rein. Wir stecken Persönlichkeit rein in das, was wir tun. Und das macht auch den Wert aus – nicht nur für uns, sondern auch für unser Gegenüber.

00:49:43: Prof. Tim Weiffenbach: Das kann aber durchaus auch mal schmerzhaft sein, weil man sich eben nicht wertgeschätzt fühlt. Weil es nicht funktioniert. Oder weil man schlichtweg zu wenig Vergütung dafür bekommen hat in den eigenen Augen. Und das ist halt etwas ... das muss man dann einfach aushalten, wenn die Leidenschaft auch der Beruf geworden ist.

00:50:04: Dr. Franziska Walther: So wahr. Als eine Person, die vor bevor ich Design studiert habe, was anderes studiert hat – weil ich meine Leidenschaft nicht zum Beruf machen wollte – kann ich sagen: Beide Seiten haben große Kompromisse, die man tragen muss. Es gibt nicht die eine perfekte Lösung, mit der man sich vor diesem Problem drücken kann. Wenn man die Leidenschaft zum Beruf macht, muss man mit bestimmten Dingen leben.

00:50:26: Dr. Franziska Walther: Wenn man sich entscheidet, ganz bewusst das nicht zu machen, hat es andere Schattenseiten, mit denen man dann halt auch leben muss.

00:50:31: Prof. Tim Weiffenbach: Ja.

00:50:32: Dr. Franziska Walther: Wie gehst du damit um, dass du deine Leidenschaft zu deinem Beruf gemacht hast? Hast du da eine Lösung gefunden, was es einfacher macht.

00:50:40: Prof. Tim Weiffenbach: Was es einfacher macht? Ich denke, dass das muss man aushalten. Und dass man sich eben tatsächlich diese berühmten freien Projekte sucht. Dass man sagt: Das eine ist das, was ich als Job erfülle. Das versuche ich möglichst gut zu machen und möglichst sinnvoll. Hier kann ich aber auch Abstriche machen, wenn mein Gegenüber, das Publikum, der Kunde, einfach irgendwas anderes fordert. Dann ist das so. Ich kann da noch beratend eingreifen, aber am Ende kommt das dabei raus, was alle haben wollen.

00:51:11: Prof. Tim Weiffenbach: Jetzt haben wir aber das Glück als Gestalter, dass uns niemand davon abhält, auch freie Dinge zu tun. Dinge, von denen wir einfach nur sagen: Das mache ich jetzt für mich. Wenn’s jemand anders gut findet, schön. Wenn nicht, ist mir das auch egal. Weil das mache ich ja für mich. Und das wäre so was, wo man sagt: Da kann ich dann aus dieser Schattenseite noch mal heraustreten und einfach etwas tun, was mich glücklich macht, ohne dass da irgendwas anderes dran gebunden ist.

00:51:43: Dr. Franziska Walther: Ja, gute Idee. Danke, Tim, dass du dir die Zeit genommen hast, dieses wichtige Thema heute mit mir zu besprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle interessiert zugehört haben. Das sind ja alles Fragen, die uns alle in der Kreativwirtschaft beschäftigen. Und ich hoffe sehr, dass hier alle mit Optimismus und Hoffnung auf eine gute Zukunft rausgehen.

00:52:07: Dr. Franziska Walther: Danke Tim.

00:52:10: Prof. Tim Weiffenbach: Ich bedanke mich bei dir. Das war wie immer ein tolles Gespräch. Ich glaube, ich habe auch wieder viel gelernt. Vielen Dank dafür, liebe Fraenzi.

00:52:18: Dr. Franziska Walther: Sehr, sehr gern.

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